Marktforschung rund um fair gehandelte Produkte: Ist Fairtrade das neue Bio?

Schaut man sich die Zahlen genauer an, hatte Bio die Milliarden-Schwelle bereits in den 90ern überschritten. Heute liegt das Segment nach Daten des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft bei acht Milliarden Euro Umsatz. Und selbst das ist wenig gemessen an den Gesamtausgaben der Deutschen für Lebensmittel, die Marktforscher auf 250 Milliarden Euro beziffern. Auch aus dem fairen Handel in Deutschland ist mittlerweile ein Milliardenmarktgeworden.

Laut Nick Lin-Hi, einem Mannheimer Unternehmensethiker, hat der faire Handel die ganz spezielle Nische verlassen. Während die sogenannten Welt-Läden stagnieren, in die Kunden kommen, die mit reinem Gewissen einkaufen wollen, treiben die Supermärkte und Discounter das Wachstum längst an. Man findet Kekse, Wein und Rohrzucker mit Fairtrade-Siegel zwischen konventioneller Ware wie Bananen, Kaffee und Kinder-Jeans, bei denen Kunden nur spekulieren können, wie es denen geht, die sie produziert haben. Obwohl Verbraucherschützer skeptisch bleiben, wie fair Produkte wirklich sind, auf denen „fair“ draufsteht, sieht Lin-Hi langfristig ein ähnliches Potenzial wie im Bio-Segment.

2014 haben die Deutschen 1,027 Milliarden Euro für fair gehandelte Waren ausgeben. Mit 797 Mio. Euro machten Produkte mit dem Fairtrade-Produktsiegel den größten Anteil (78 Prozent) am Fairen Handel aus, wie das bundesweite Netzwerk „Forum Fairer Handel“ erhoben hat. Lebensmittel machten mit 77 Prozent den größten Anteil am Absatz von fair gehandelten Produkten zu Endverbraucherpreisen aus. Obwohl der faire Handel seine Marktanteile in nur drei Jahren verdoppelt hat, betragen die Gesamtausgaben pro Kopf und Jahr in Deutschland nur 13 Euro. Für diesen Betrag bekommt man derzeit gut zwei Pfund Kaffee. Laut Manuel Blendin, dem Geschäftsführer des Forums Fairer Handel, ist noch viel Luft nach oben. Verglichen mit Ländern wie der Schweiz (57 Euro pro Kopf und Jahr) und Großbritannien (33 Euro pro Kopf und Jahr) hinkt Deutschland noch deutlich hinterher.

Das Konzept von Fairtrade kann man wie folgt erklären: Kleinbauern schließen sich zu Genossenschaftenzusammen und verkaufen ihre Erzeugnisse zu garantierten Preisen. So bleiben sie von den Preisschwankungen des Weltmarktes verschont, die sonst jedem einzelnen von ihnen schnell die Existenz kosten könnten. Oft ist im Preis noch ein Sozialbonus enthalten, mit dem etwa Schulen gebaut werden. So ist die gehandelte Ware meist etwas teurer. Laut Lin-Hi kommt der Preisaufschlag jedoch nicht komplett beim Produzenten an. Das Sortiment ist kleiner und liegt in der Regel länger im Regal als andere Supermarkt-Produkte und das erhöht die Kosten des Handels.

Viele Handelsketten bieten die faire Ware an, um ihr Ansehen aufzupolieren und um auf den Zukunftsmarkt vorbereitet zu sein. Doch der Konsument muss genauer hinschauen, wenn er sich für Fairtrade-Produkte entscheidet. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat das überprüft und kam zum Ergebnis, dass auf den Packungen oft zu wenig über Herkunft informiert wird und Kunden zu wenig davon erfahren, wenn Gemische aus fairer und konventioneller Ware angeboten werden. Außerdem gäbe es zu viele verschiedene Siegeln, die kaum einer überblicken kann. Verbraucherschützer fordern deshalb ein gesetzliches Siegel, das auch nur auf zu 100 Prozent fair gehandelte Ware darf, außerdem ein Kontrollsystem. „Beim Bio-Siegel klappt das ja auch“, sagt Christiane Manthey, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Quellen: faz.net, statista.com
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