DAS SUBJEKTIVE ZEITEMPFINDEN
Und wieder ist ein Jahr um – ich weiß gar nicht wo die Zeit geblieben ist! Komischerweise hört man diese Aussage nie von Kindern und nur selten von Jugendlichen. Es sind eher die Erwachsenen, die das Gefühl haben, ihnen läuft die Zeit davon. Ist demnach das subjektive Zeitempfinden vom Alter abhängig oder spielen auch andere Faktoreneine Rolle, wie schnell die Zeit für uns vergeht?
Kindern und Jugendlichen kommt ein Jahr unendlich lang vor. Jeder von uns kann sich sicherlich noch daran erinnern, wie sehnsüchtig man auf den Anfang der Sommerferien gewartet hat, den eigenen Geburtstag oder auf Weihnachten. Es machte den Eindruck, die Zeit sei stehen geblieben. Doch je älter wir werden, scheint die Zeit immer rasanter zu vergehen. Aber warum ist es so?
Ein wenig Licht ins Dunkle könnten die Ergebnisse einer Studie bringen, die mit 500 Personen zwischen 14 und 94 Jahren durchgeführt wurde. Sie wurden unter anderem gefragt, wie schnell die letzten zehn Jahre ihrem Empfinden nach vergangen waren. Außerdem legten die Wissenschaftler jedem Teilnehmer weitere Statements vor: “Ich fühle mich oft unter Zeitdruck”, “Ich habe oft nicht genug Zeit, mich um wichtige Dinge zu kümmern” oder auch “Ich habe viel Zeit”.
Die Zeitspanne von zehn Jahren ist für Teenager langsam verstrichen, für junge Erwachsene schneller, für ältere noch schneller. Die Zielpersonen zwischen 20 und 59 Jahren stimmten außerdem öfter den Sätzen zu, die mit Zeitdruck zu tun hatten, was sich dadurch erklären lässt, dass man gerade in diesem Alter mit Beruf und Familie ziemlich ausgelastet ist. Paradoxer Weise haben jedoch diejenigen, die viel Zeit hatten, allerdings recht wenig im Laufe eines Jahres erlebt haben und Personen, die Tätigkeiten mit wenig Abwechslung nachgingen (z. B. eintönige Arbeitstage), im Nachhinein empfunden, dass die Zeit besonders schnell vergangen ist. Zeitparadoxon nennen die Psychologen dieses Phänomen.
Marc Wittmann, vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg, ist der Meinung, dass die Zeitwahrnehmung maßgeblich vom Gedächtnis bestimmt wird. Man kann also sagen, dass bei Menschen, die wenig Neues und Aufregendes erleben, auch weniger Erinnerungen bleiben, und im Rückblick die Zeitspanne kürzer erscheint. In seinem Buch “Gefühlte Zeit” vergleicht Wittmann das Leben mit einem Urlaub. Während wir anfangs noch die neue Umgebung erkunden, neue Landschaften, Gerichte oder Düfte entdecken, scheint die Zeit sich eher weit zu dehnen. Bereits nach ein paar Tagen wird das Neue jedoch zur Gewohnheit, wir erleben jeden Tag die gleiche Kulisse, wir kehren im gleichen Restaurant ein und plötzlich ist der Urlaub viel zu schnell vorbei.
Mit zunehmenden Alter werden wir weniger offen für Neues. Doch genau da müssen wir ansetzen. Je mehr Neuesund Emotionales wir erleben, desto mehr prägt sich im Gedächtnis ein – und desto länger wirkt ein Zeitraum im Nachhinein. Was deutlich in Erinnerung bleibt sind die ersten Male, die man beispielsweise in der Jugend erlebt hat, sei es der erste Kuss, die erste eigene Wohnung oder die erste Liebe. Gelingt es uns auch im fortschreitenden Alter, mehr erste Male zu erleben, können wir die gefühlte Zeit abbremsen. In diesem Jahr haben wir sogar einen Tag mehr zu Verfügung, da 2016 ein Schaltjahr ist!
Quelle: welt.de, zeit.de
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